Annie Ernaux: Die Scham

03.12.2020 12:39

Juni 1952, die kleine Annie ist 12 Jahre alt. Eines Sonntagsnachmittags geschieht etwas Entzetzliches - ohnmächtig muss sie miterleben, wie der Vater versucht, die Mutter umzubringen. Bald beruhigt sich der Vater und Annie versucht alles um den Eklat zu vergessen. Bis sie, sehr viel später, auf ein Foto aus der Zeit stösst. Aber was genau ist damals geschehen? Als sie tiefer in dieses entscheidende Jahr eintaucht, tritt die Spannung zu Tage, in der die Eltern lebten, zwischen dem Wunsch nach sozialem Aufstieg und dem demütigendem Rückfall in die alten Verhältnisse. Und auch Annies Zerrissenheit gewinnt an Kontur, ihr schmerhaftes Bemühen, ihre katholische Erziehung hinter sich zu lassen und in ein besseres Leben aufzubrechen. Scham ist das beharrliche Gefühl der eigenen Unwürdigkeit. Annie Ernaux seziert es an sich selbst, indem sie zurückblickt auf eine eigentlich unfassbare Episode ihrer Kindheit und in eine Vergangenheit, die nicht vergehen will.

 

Suhrkamp Verlag, 2020