Giovanni Bonalumi: Die Geiseln!
Obwohl eher von südlichem Gepräge, ist Giovanni Bonalumis genialer Erstling "Die Geiseln" von 1953 ein Buch aus der Verwandtschaft von Musils Verwirrungen des Zöglings Törless. Als Bonalumis "Gli Ostaggi" 1953 erschien, löste das Buch im Tessin einen Skandal aus. Es wurde als Attacke gegen die katholische Kirche und das chauvinistisch und autoritär geführte Internat, dem bischöflichen Priesterseminar San Carlo in Lugano verdächtig ähnlich, verstanden. Was heute für den Roman einnimmt, ist das feinsinnig-glaubwürdige Seelenporträt eines jungen Mannes, der nach dem Tod seines Vaters in die kirchliche Zuchtanstalt gerät und dort zwischen den asketischen Forderungen der Kirche und der verlockenden Welt draussen hin- und hergerissen wird, bis er sich gegen den Priesterberuf entscheidet. Mit einem ausführlichen und bebilderten biographischen Anhang von Danielle Benzonelli, erstmals auf Deutsch herausgegebenvon Charles Linsmayer (Huber, Zürich, 2010).