IST DIE SCHULDFRAGE WIRKLICH IRRELEVANT? Versuch einer Replik auf den Artikel in der Bauernzeitung vom 02. Mai, 2015!

05.05.2015 15:00
"Mechanismen und Verantwortlichkeiten müssen geklärt werden, ohne nach Schuldigen zu suchen". So in der kürzlich erschienen Bauernzeitung. Und weiter, "man müsse (…) auch die Profiteure benennen". Wer da  zitiert wird, ist kein geringerer als der Delegierte des Bundes für die 'fürsorgerischen Zwangsmassnahmen' Luzius Mader und die Historikerin Loretta Seglias, Mitglied der kürzlich vom Bundesrat in dieser Sache eingesetzten Historikerkommission. Doch was gilt nun: Keine Schuldigen suchen, weil die Schuldfrage sowieso irrelevant ist, oder die Profitieure benennen? Waren denn die Profiteure, die die Verdingkinder als Knechte für billiges Geld bei Bauern schuften liessen, nicht auch die Mitschuldigen an den Traumatas, unter denen viele dieser Verdingkinder ein Leben lang litten und immer noch leiden? Und wenn man die Prifiteure benennt, weshalb entzieht man sie im gleichen Atemzug der Schuldfrage? Es ist schon interessant und entspricht wohl unserer helvetischen Art, wie krampfhaft versucht wird, ein Stück beschämender Schweizer Geschichte, die über viele Jahrzehnte im Dunklen schlummerte und nur Dank beherzten Opfern und ihrer Verbündeten endlich an die Oberfläche gestemmt wurde, mit wohldosierten Worten zu glätten und klein zu schreiben. Es ist schon so, Worte verraten oft den Geist derer, die sie aussprechen. Wie folgende Beispiele zeigen: "Das System der Fremdplatzierung von Kindern gab es während Jahrhunderten“ (Seglias). Aber sicher. Dass aber hierfür im letzten Jahrhundert in unserer wohl behüteten Schweiz Kinder und Jugendliche aus verarmten, sozial randständigen und unvollständigen Familien schamlos und mit dem Segen der Behörden benutzt und ausgenutzt wurden, verschweigt sie (oder vielleicht der Journalist der Bauernzeitung, der den Artikel geschrieben hat?). Und "dass die Landwirte vor der Mechanisierung der Landwirtschaft auf die Arbeitskräfte angewiesen waren" (Mader), tönt so, als würde man den Bauernstand, der damals die Verdingkinder als billige Sklaven beschäftigte, entschuldigend von ihrer Verantwortung entbinden. Später im Artikel kommt Mader dann doch noch zur wohlmeinenden und paternalistischen Aussage, „man müsse zugunsten der Opfer auch gewisse Leistungen vorsehen, sofern sie es wünschen“. Aber hallo? Was heisst denn „gewisse Leistungen“ und "sofern sie es wünschen?“ Ist es nicht Aufgabe des Staates und seiner Rappräsentanten, dafür zu sorgen, dass geschehenes Unrecht schnörkellos benannt und ebenso schnörkellos wieder gut gemacht wird? "Gutgemacht" verstanden als grosszügige Geste der Entschädigung an die Opfer, die wegen ihrer Heim- und Verdingvergangenheit zum Teil heute noch stigmatisiert und am Rande unserer Gesellschaft leben und jeden Rappen zweimal umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben können. 
 
Die Geschichte rechtfertigt nicht alles, denn es gibt eine objektive Verantwortung für die Schuld unserer Vorfahren. 
 
Immerhin hat die Wiedergutmachungsinitiative in dieser Sache ein frankenmässiges  Lesezeichen gesetzt. Mal schauen ob zum Fluch oder zum Segen der noch lebenden Opfer!