Wiedergutmachungsinitiative: Erster Stresstest bestanden?

20.12.2014 21:49
Das festlich herausgeputzte Bundeshaus hat das Weihnachtsgeschenk der Wiedergutmachungsinitianten entgegen genommen. Zahlreiche Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und eine fröhliche Politprominenz reichten sich Packet um Packet weiter, bis alle im mächtigen Haus verschwunden waren. Ein warmer Applaus der zahlreich erschienen Zaungäste begleitete das Ganze.
 
Am Abend dann der erste Stresstest. Im Ring der SRF-Arena standen sich ein Gegner (SVP-Stamm), ein politischer Zwitter (CVP-Ritter), eine Befürworterin (SP-Fehr) und der Initiant (Fluri) gegenüber. Im Ring, drum herum, die zweite Polit-Garnitur. Die FDP mit dem Stadtzürcher Gemeinderat Egger, die Grünen mit einer Aargauer Kantonsrätin und die Grünliberalen mit Nationalrätin Kessler. Als Sachverständige walteten der Delegierte von fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Mader) und eine Historikerin (Seglias). Soweit so gut!
 
Geschickt und lobenswert, dass sich die Arena-Macher dem düsteren Thema anpassten, indem sie einem Opfer das erste und das letzte Wort gewährten. Die Betroffenheit im Ring und im Publikum war mit Händen zu greifen. Ein guter Start also.
 
Doch schon bald fand man sich wieder in der üblichen helvetischen Streit- und kompromisskultur. Da ein Politiker, der mit in falscher Dankbarkeit getränkten Giftpfeilen nur so um sich schoss, die Wiedergutmachungsinitiative als ein „nicht politisches“ Thema am liebsten sofort wieder vom Tisch fegen wollte, und händeringend die amerikanische Schadenerstatzkultur warnend in den Raum stellte.
 
Dort ein CVP-Mann, oberster Bauer der Nation, bei dem man echt nicht schlau wurde, was er eigentlich sagen wollte.  Ist er nun für oder gegen die Initiative? Er anerkenne zwar das Leid der Opfer, er befürworte eine Entschädigung für Menschen, die es nötig hätten, doch dürfe man das nicht einzig auf dem Buckel der Bauern austragen. Die ganze Gesellschaft trage dafür Verantwortung. Wie schön!
 
Am äusseren Ring ein Lokalpolitiker aus Zürich (FDP), der auf die Frage des Moderators, ob er die Initiative unterstütze, vielsagend auswich, die Delegierten ins Spiel brachte, die schliesslich entscheiden müssten, um dann, nach hartnäckigem Nachfragen, doch noch halblaut zu murmeln begann, dass es schwierig werde.
 
Auf der anderen Seite eine Lokalpolitikerin aus dem Kanton Aargau (Grüne), die zwar 100% hinter der Initiative steht, wortreich aber über die Umsetzungsschwierigkeiten palaverte, sodass einem einem fast der Mut verlustig wurde, weiter zu kämpfen.
 
Frage: Wehalb sind in dieser Arena, wie sonst üblich, nicht die profilierten Parteimunis dagestanden? Glättbi z.B., Grunder, Landolt, Bäumle, und wie sie alle noch heissen?     
 
Am Expertenring der Delegierte des Bundes und die Historikerin. Sie hielten mit Sachargumenten entgegen und ordneten wieder ein, was am Ring willentlich (SVP) durcheinander gebracht wurde. Enttäuschend für mich die Aussage des Delegierten, dass im Soforthilfefonds bis heute 5 Mio Fr. angekommen seien. Hat er früher nicht schon von 8 Mio Fr. gesprochen, oder täusche ich mich? 
 
Geschickt die Einblendung einer Bildtafel, die den Kinder(Sklaven)markt von damals dokumentierte, und erhellend das erklärende Votum der Historikerin.
 
Klare und verständliche Positionen nahmen zu Beginn der Sendung die SP-Politikerin und der Initiant ein. Wobei im Laufe der Sendung das Ziel der Wiedergutmachungsinitiative immer schwammiger wurde. Denn mit dem Fortschreiten der Sendung  begannen die beiden leider immer hartnäckiger mit der Kompromissschere im Kopf zu argumentieren. Welche Opfer werden monetär von dieser Wiedergutmachung profitieren? Alle, oder nur die Bedürftigsten? Was ist der Unterschied zwischen der Wiedergutmachungsinitiative und dem Soforthilfefonds des Runden Tisches? Wohin mit der berechtigten Forderung der Opfer, dass Wiedergutmachung dann geschehen ist, wenn eine Lohnnachzahlung für damals nicht entschädigte Arbeit erfolgt ist? Wollen die Initianten wirklich vors Volk oder hoffen sie auf einen Gegenvorschlag? Wenn ja, zu welchem Preis? Was meint Fluri, wenn er sagt, die Initiative müsse politisch verträglich sein? Auf diese und andere Fragen haben wir Zuschauer keine  Antworten bekommen. Politik, eben!
 
Die Wiedergutmachungsinitiative hat meiner Meinung nach den ersten Stresstest knapp bestanden. Doch müssen sich die Initianten und wir alle, Opfer und Betroffene, die hinter der Forderung von einer halben Milliarde Franken an Wiedergutmachung stehen und diese Forderung auch durchsetzen wollen, warm anziehen. Denn der Widerstand aus bürgerlichen Kreisen lässt nicht auf sich warten. Das hat die gestrige Arena deutlich gezeigt.